Moderne Entscheidungsverfahren – Der konsultative Einzelentscheid
Erinnern Sie sich noch an Sabine B.? Jene motivierte Vertriebsmitarbeiterin, welche Ihre Ideen und Motivation in den Mühlen einer klassischen Hierarchie beinahe unter gehen hat sehen? Das Unternehmen ist auf seinem Weg zu einer agilen Organisation wieder ein Stückchen weiter gekommen und hat ein neues Entscheidungsverfahren für sich entdeckt – die konsultative Einzelentscheidung.
Auslöser dort war, dass die Teams im Rahmen von Konsententscheidungen immer wieder einmal an einen Punkt kamen, an welchem eine Entscheidung zwingend notwendig war, im Konsent aber keine getroffen werden konnte. Und den Weg zurück zu einer Entscheidung von oben, wollten weder Führungskräfte noch Mitarbeiter gehen, zu sehr hatte man Geschwindigkeit und Flexibilität der veränderten Organisation schätzen gelernt.
Eine weitere moderne Entscheidungsmethode sollte den bisherigen Konsent erweitern. Die Berater von Yellow Birds brachten dafür den konsultativen Einzelentscheid ins Gespräch. So wirklich konnte sich das ersteinmal keiner vorstellen, aber da das Unternehmen begonnen hatte, anstatt lange über Ideen zu diskutieren, in sicheren Experimenten die Realisierbarkeit und Nutzbarkeit der Ideen zu testen, war die Lösung einfach – ausprobieren.
Der konsultative Einzelentscheid
Es gibt unterschiedliche Einsatzmöglichkeiten für den konsultativen Einzelentscheid. Frederic Laloux beschreibt in seinem Buch Reinventing Organisations die wohl extremste Ausprägung, wie Sie bei der Firma AES im Einsatz ist. Jeder darf im Prinzip alles selbst entscheiden, wenn er nur mindestens eine gewisse Anzahl von Kollegen und Führungskräften zu Ihrer Meinung befragt und Ihren Input und Ihre Bedenken in der Gestaltung der Entscheidung zumindest anhört – oder berücksichtigt, um die Entscheidung zu verbessern.
In unserem Fall wollte das Team nicht ganz so weit gehen und hat eine andere Variante gewählt. Für Fragestellungen, welche nicht im Konsent gelöst werden können, wählt das Team einen Entscheider. Außerdem benennt es eine Gruppe von Mitarbeitern, welche der Entscheider auf jeden Fall konsultieren muss. Es steht ihm aber frei weitere Mitarbeiter und Führungskräfte einzubeziehen. Nach der Konsultation entscheidet er alleine. Das Ergebnis wird vom Team akzeptiert und – analog zu Konsententscheidungen – nur dann zu einem späteren Zeitpunkt in Frage gestellt, wenn neue Erkenntnisse dies erfordern.
Wie verläuft in diesem Fall eine konsultative Einzelentscheidung
- Der Entscheidungsbedarf wird klar formuliert. Es geht nicht darum die vollständige Ausarbeitung der Entscheidungsidee an jemanden auszulagern, sondern die Entscheidung selbst.
- Eine Liste der möglichen Entscheider und Unterstützer wird erstellt. Als Entscheider bieten sich einerseits Wissensträger zum Thema an, andererseits aber auch interdisziplinäre Personen, welche einen anderen Blickwinkel mit ins Spiel bringen können.
- Wahl, Benennung oder freiwillige Übernahme der Aufgabenstellung durch den Entscheider (oder ein Entscheiderteam). Im obigen Beispiel wird der Entscheider im Konsent festgelegt.
- Der eigentliche Entscheidungsprozess – der Entscheider arbeitet sich in die Aufgabenstellung ein, entwickelt Lösungsvarianten, konsultiert in eigenem Ermessen die gewünschten und weitere Fachleute, deren Meinung er in der Entscheidungsfindung berücksichtigen will.
- Am Ende kommuniziert der Entscheider seine Wahl, die betrachteten Optionen und seine Motivation für die ausgewählte Variante.
- Ein Nachhaken, nörgeln oder diskutieren der Entscheidung findet im Anschluss nicht statt. Durch die Entscheidung selbst ergeben sich erst die Möglichkeiten daraus zu lernen. Wenn sich nach angemessener Zeit zeigt, dass die Entscheidung nicht optimal war, wird das Thema erneut bearbeitet.
Warum braucht es noch ein Entscheidungsverfahren?
Teams und Aufgabenstellungen sind unterschiedlich. Eigentlich selbstverständlich, dass es dann auch unterschiedliche Entscheidungsverfahren gibt. Der konsultative Einzelentscheid baut dabei auf einer langen Tradition der Mennschheitsgeschichte auf – um Rat fragen. Nicht dafür, dass einem die Entscheidung abgenommen wird, sondern um eine bessere Entscheidung zu treffen. Damit ist das Verfahren transparent und effizient zugleich.
Gleichzeitig behält das Verfahren seinen integrativen Charakter – der Entscheider bindet andere ein. Der Entscheider ist aber nicht zwingend eine Führungskraft, die Gefahr in alte Muster zurückzufallen verringert sich dadurch. Die Nähe zu typischen Linienentscheidungsverfahren Führungskraft befragt die Beteiligten und Führungskraft berät den Mitarbeiter in der Entscheidung machen die Adaption zudem sehr einfach. Für diese eine Entscheidung ist der Entscheider Führungskraft auf Zeit und nutzt die Gruppenintelligenz, um eine weise Entscheidung zu treffen. Mit der Wahl der Befragten und des Entscheiders durch das Team wird gleichzeitig eine hohe Wertschätzung ausgesprochen – Basis für die gute Zusammenarbeit und das gemeinsame Tragen der finalen Entscheidung. Und da für jede Fragestellung ein neuer Entscheider festgelegt werden kann, sinkt die Belastung der Führungskraft immer die Entscheidung treffen zu müssen – geteilte Führung in Perfektion.
Das Verfahren ist auch in beliebigen Gruppengrößen möglich – egal ob nur 3 oder 300 Mitarbeiter eine Skalierung lässt sich immer darstellen. Und es stärkt den Einzelnen und damit die Organisation. Der Einzelne lernt mit Entscheidungen umzugehen, etwas was in Linienhierarchien gerne mal verlernt wird. Dialog- und Reflexionsfähigkeiten werden geschult, ebenfalls ein wichtiges Element in Richtung einer funktionierenden Selbstorganisation.
Das Entscheidungsverfahren ist so einfach – trauen Sie sich einfach mal es auszuprobieren. Und bereiten Sie sich darauf vor positiv erstaunt zu sein, was alles passieren kann.
Suchen Sie mehr Praxiserfahrung – gerne bieten wir Ihnen ein Inhouse Seminar zu Entscheidungsverfahren in unserm Pay what it’s worth Ansatz an. Sprechen Sie uns dazu einfach an. Wir freuen uns darauf.
Lesen Sie hier die anderen Teile der Serie
Teil 1: Konsent
Teil 2: Systemisches Konsensieren
Teil 3: Konsultativer Einzelentscheid
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