Emergente Strategieentwicklung
Mehr Mut zur unbekannten Lücke
Jahr für Jahr stecken mittelständische Unternehmen viel Aufwand in die strategische Planung des Unternehmens. Da wird die Marktentwicklung der kommenden fünf Jahre geschätzt und darauf Investitionen, Mitarbeiterentwicklung und vieles mehr abgeleitet. In der heutigen VUKA Welt reicht die Halbwertszeit dieser Planungen oftmals nicht einmal bis zum nächsten regulären Planungszyklus.
Und doch erfüllt die Strategische Planung einen sehr wichtigen Zweck – sie erfüllt aus Wertesicht das Bedürfnis nach Sicherheit und schafft die Möglichkeit von Kontrolle.
Unterjährig auftauchende Chancen und Risiken werden von Unternehmen dagegen entweder bis in den nächsten Planungszyklus geschoben, oder direkt in die Organisation integriert, mit entsprechend hohen Diskussions- und Change – Aufwänden.
Und dann gibt es immer wieder Strategieelemente, welche zwei, drei Jahre mitgeschleppt werden, es dabei nie in die Realisierung schaffen und dann irgendwann wieder verschwinden.
Bereits 1987 hat Henry Mintzberg diese Situation in seiner Arbeit beschrieben und den Begriff der emergenten Strategieelemente entwickelt.
Die tatsächlich realisierte Strategie stellt sich dabei als Mischung aus ursprünglicher Planung und dynamischer Elemente dar, welche erst innerhalb des Planungszeitraums sichtbar und integriert wurden.
Verschwendung im Strategischen Planungsprozess
Betrachtet man diese Situation mit der LEAN Management Brille zeigen sich an zwei Stellen Verschwendungen.
Einerseits beim Planungsaufwand für nicht realisierte Strategieelemente. Andererseits an den Stellen, an welchen emergente Elemente integriert werden müssen. Diese Elemente stellen ja eine Abweichung zur bisherigen Strategie dar und müssen entsprechend intensiv diskutiert und bearbeitet werden.
Es stellen sich damit unweigerlich mehrere Fragen:
- Gibt es Möglichkeiten bereits zum Planungszeitpunkt zu erkennen, dass ein Element nicht realisiert, oder durch ein emergentes Element ersetzt wird?
- Lassen sich dadurch die Verschwendungen reduzieren ohne die strukturgebenden Elemente eines Strategieprozesses zu verlieren?
- Lässt sich der Strategieprozess verändern und auf Veränderungen vorbereiten und gleichzeitig das Sicherheits- und Kontrollbedürfnis zu erfüllen?
Komplexitätsmodell liefert Lösungsansätze
Eine erste Antwort liefert das Cynefin Framework (Hier auch in kompaktem Video durch den Erfinder in englisch erklärt), welches Ende des 20 Jahrhunderts im Kontext von Strategie und Wissensmanagement von Dave Snowden entwickelt wurde. Das Modell stellt Lösungsstrategien in Kontext zur Schwierigkeit der zugrundeliegenden Umgebung, bzw. Aufgabenstellung.
Für komplizierte Aufgabenstellungen wird dort ein planerischer Ansatz, für komplexe Situationen ein emergenter Ansatz favorisiert. Dabei sieht der emergente Ansatz vor sich durch gezielte Experimente der Lösung zu nähern.
Überträgt man diesen Ansatz auf einen Strategieprozess lassen sich mehrere Ansätze ableiten, wie sich bereits zum Planungszeitpunkt entscheiden lässt, was überhaupt zielführend in die Strategie integriert werden kann und was letztendlich zwingend emergent, also dynamisch entwickelt werden muss.
- Alle nur komplizierten Fragestellungen lassen sich in den Strategieprozess integrieren. Bei genauer Analyse werden Sie feststellen, dass es sich dabei allerdings nur um wenige Elemente handelt.
- Vereinfacht sich durch die strategische Festlegung eine komplexe in eine komplizierte Ausgangslage, kann diese ebenfalls aufgenommen werden. Beispielhaft sei hier die Festlegung von Zielkunden im bestehenden Markt genannt. Die Benennung neuer Märkte zählt im Gegensatz nicht dazu. Um ein Arbeitsfeld der kommenden Jahre abzustecken, braucht es manchmal einfach Eckpfeiler.
Ausgeschlossen vom klassischen planerischen Ansatz sind hingegen
- Grundsätzlich komplexe Fragestellungen, zum Beispiel die Erschließung eines neuen Marktes, die Entwicklung innovativer Geschäftsmodelle.
- Externe Veränderungen, welche kurzzyklischer sind als der Planungshorizont. Der aktuelle technologische Wandel mit einer Zykluszeit von 18 Monaten verschließt sich damit einer Fünfjahresplanung.
Mit dieser Klassifizierung lässt sich, durch die Erkenntnis, dass etwas nicht planbar ist, ein Teil der Planungsaufwände reduzieren, allerdings erhöht dieses Vorgehen die unternehmerische Unsicherheit.
Also doch lieber schlecht geplant, als gar nicht vorbereitet?
Für eine Lösungsidee werfen wir einen Blick auf den Wandel vom klassisch planerischen Wasserfallprojekt in Richtung agiler Methodik, im konkreten Fall Scrum. Dort entsteht auf den ersten Blick ja ebenfalls Unsicherheit, weil Elemente der zu entwickelnden Software nicht mehr vorab spezifiziert und geplant werden. Und dennoch können geübte Teams problemlos damit umgehen.
Das Geheimnis liegt in einer Transformation. Während im Wasserfallansatz die detaillierte Planung Sicherheit vermittelt, wird diese in SCRUM durch zwei andere Elemente ersetzt.
Das ist eine sehr hohe Transparenz über den aktuellen Projektzustand. Es ist jederzeit allen Beteiligten klar was bereits realisiert, was gerade in Arbeit und was noch nicht begonnen wurde. Bei noch nicht begonnen Elementen ist der Detaillierungsgrad der Anforderung klar.
Und auch die den Sprint strukturierenden Arbeitssitzungen und deren Inhalte sind langfristig bekannt. Insbesondere diese klare Struktur und Sicherheit des standardisierten Prozesses ersetzt die ursprüngliche inhaltliche Sicherheit des Planungsansatzes. Agil heißt nämlich mitnichten chaotisch, sondern im „wie“ sehr klar strukturiert, aber im „was“ dynamisch agierend.
Natürlich werden auch in diesem Vorgehen Strategieelemente wieder ausgeschleust oder nicht realisiert, allerdings in viel kleinerem Rahmen und mit einem Lerneffekt, welcher für die nächsten Elemente berücksichtigt werden kann.
Eine strukturierte emergente Strategieentwicklung ist auf dem Weg hin zu einer lernenden Organisation damit ein sehr wichtiger Eckpfeiler. Die Übernahme agiler Methodiken in Top Managementprozesse ist sichtbares Zeichen in die Belegschaft, dass Agilität auf allen Ebenen das Unternehmen erfolgreicher macht.
Diese Veränderung kann sogar soweit führen, dass auf den finanzorientierten Strategieanteil vollständig verzichtet wird – Beyond Budgeting ist die dazugehörige Methodik. Der max Controlling Blog hat zu Beyond Budgeting einen umfangreichen Artikel geschrieben.
Auf Planung verzichten? Das funktioniert nicht!
Verändern sie die Aussage „das funktioniert nicht“, in „das funktioniert bei uns aktuell nicht“. Fragen Sie sich im Anschluss, was steht Ihnen da eigentlich im Weg, dass es nicht funktionieren kann. Dann ist das Ihr erster Schritt auf dem Weg in Richtung Lernende Organisation.
Gerne begleiten die YellowBirds Sie ein Stück dieses Weges, wenn Sie auf Herausforderungen stoßen, für welche sich auf den ersten Blick keine Lösungen finden lassen. Wir freuen uns auf das Gespräch.